Mit Auszügen aus den Quellen: Faszination Niederrhein, Georg Verbücheln, Klaus van de Weyer, ISBN 3-87463-361-6 – Der Niederrhein, Gabriele Knoll, ISBN 3-7701-2283-6 – Brünen, das Jahrhundertbuch, Band I + III, Wilhelm Elmer – Die Luftlandung, Johann J. Nitrowski sowie Augenzeugenberichte
Kugelberg und Brüner Höhen sind prägende Landschaftsteile der Gemeinde Brünen, die mit 46 km² der größte Stadtteil Hamminkelns ist. Tektonische Senkungsprozesse im Tertiär haben eine schwach wellige Hügellandschaft entstehen lassen. Brünen liegt an der Kante einer Hauptterrasse, wozu die Brüner Höhen mit ihrem Ausgangspunkt „Kugelberg“ gehören.
Unterhalb dieser Terrassenkante (Straße „Feldkante“) befinden sich etliche Hofstellen in Einzellage, die einen Hinweis auf eine Fränkische Siedlung geben. Im 5. Jahrhundert hatten es die Franken geschafft, den ganzen linken Niederrhein zu besetzen und ihnen gehörte die gesamte römische Provinz Gallien. Aber erst unter den Karolingern gelangte der nördliche, rechte Niederrhein in eine zentrale Position und wurde zum Ende des 8. Jahrhunderts nach Siegen über die Sachsen (779 Schlacht bei Bocholt) und Friesen vollständig in das fränkische Reich integriert.
Die Franken bevorzugten das Landleben und erschlossen im großen Stil Neuland. Man spricht in der Historischen Geographie von der „fränkischen Landnahme“. Für den fränkischen Bauern war eine Lage möglichst nah zum Acker und zur Weide die günstigste. Solche Standorte gab es hinreichend an den Rändern der trockenen Terrassenflächen und den angrenzenden feuchten Niederungen. Sandige Böden wurden dabei trotz ihrer geringeren Fruchtbarkeit vorgezogen, weil sie meist weniger dicht bewaldet und damit einfacher zu roden waren.
Die genannten Hofstellen entlang der Feldkante hatten laut Brüner Häuserliste von 1660 bzw. des Urkatasters von 1735 nahezu die gleiche Größe und weisen genau die Merkmale der fränkischen Landnutzung auf – vor den Hofstellen zu den Brüner Höhen hin liegen die Äcker und dahinter die feuchteren Weideflächen. Daran hat sich, trotz immer moderner werdender Landwirtschaft, bis heute fast nichts geändert.
Hof- und Familiennamen dieser Höfe (die z.T. heute noch existieren) zählen zu den ältesten nachweisbaren Namen in Brünen. Auch die Häufigkeit der Namen mit der Endung -ing lassen auf alte, wenn nicht sogar älteste Siedler schließen. Nach Auskunft des Landschaftsverbandes Rheinland (Landeskunde/ Regionalgeschichte) dient die Endung -ing der Bezeichnung der Zugehörigkeit, könnte also in etwa mit „zugehörig zu“ übersetzt werden. Der Sprachenforscher H. Jellinghaus übersetzte die Endsilbe -ing mit „Weideplatz“.
Die Brüner Höhen mit Gut Venninghaus werden vom Landschaftsverband Rheinland in einem Fachbeitrag zur Kulturlandschaftsentwicklung Regionalplan Ruhr als regional bedeutsamer Kulturlandschaftsbereich genannt.
Die ehemals von Buchen- und Eichenmischwäldern bedeckte Landschaft wird allmählich in Grün- und Ackerland verwandelt. Die sandigen Böden, die aus eiszeitlichen Flugsanden bestehen, waren sehr nährstoffarm. Die Anreicherung mit Nährstoffen erfolgte durch die Plaggenwirtschaft.
Die Plaggengewinnung erfolgte im Gemeinschaftsland, der sogenannten Allmende (auch Gemeine Mark), an dem man Nutzungsrechte hatte. In der Brüner Häuserliste von 1660 findet man Hinweise hierzu, wie z.B. „Gibt dem waldtforster 1. Scheffel Buchweizen für vergünstigtem plaggen meyen.“ Man stach Stücke – sogenannte Plaggen – aus der Oberfläche von Wald- oder Heideböden und gab sie als Einstreu in die Viehställe. Nach rund einem Jahr wurden die Plaggen, die nun mit Tierdung angereichert waren, auf den Feldern ausgebracht.
Über Jahrzehnte und Jahrhunderte entstanden dadurch humusreiche, fruchtbare Böden, auf denen man sehr gut Ackerbau betreiben konnte. Nach dem norddeutschen Wort „Esch“ für Dorfmarkung oder Saatfeld nannte man diese neugewonnenen Böden Plaggenesch. Die Plaggenesche wuchsen mit der Zeit immer höher, so dass uhrglasgewölbte Äcker entstanden und diese zu wertvollem Ackerland wurden. In Brünen weist der humose Oberboden eine durchschnittliche Mächtigkeit um die 60cm auf. Für die Gebiete jedoch, aus denen die Plaggen stammten, galt das Gegenteil. Es entstanden karge Heidelandschaften.
Mit der Einführung des Mineraldüngers Anfang des 20. Jahrhunderts endete die mittelalterliche Plaggenwirtschaft, die seit etwa 1000 n. Chr. im nordwestdeutschen Raum bekannt war. Plaggenesche sind bedeutende landschafts- und kulturgeschichtliche Relikte. Sie sind Zeugnis alter Bewirtschaftungsformen, die heute noch im Boden und in der Landschaft nachweisbar sind, wie eben auch im Bereich der Brüner Höhen. Anlässlich des Weltbodentages wurde der Plaggenesch zum Boden des Jahres 2013 ernannt. Da die Entstehung dieser Böden auf menschliche Tätigkeit basieren, zählen sie zu den anthropogenen Böden.
Die orange eingefärbten Regionen sind durch Plaggenwirtschaft entstanden. Brünen liegt unten links auf der Karte und stellt ein größeres zusammenhängendes Gebiet mit Plaggenesch-Böden dar.
Start- und Landebahn für Segelflugzeuge am Kugelberg
In Brünen hatten sich acht bis zehn junge Männer, die an der Fliegerei interessiert waren, im nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK) zusammengefunden. Es waren am Holzhandwerk interessierte und ehemalige Turner vom TuS Brünen, die dem NSFK angehörten. Diese Baugruppe hatte in der alten Brüner Zementfabrik den Rohbau eines Segelfliegers vom Typ „Zögling“ hergestellt (siehe nachfolgendes Foto). Eine flugtaugliche Ausführung dieses Segelflugzeuges wurde im Jahre 1939 am Brüner Ehrenmal eingeweiht.
Ein Flugtag im August 1939 in Brünen am Kugelberg war eine einmalige Geschichte. Dieser war von Weseler Segelfliegern (NSFK Sturm) organisiert worden, nachdem die Felder auf dem Kugelberg und an der Feldkante abgeerntet worden waren. Ein Segelflugzeug war Weseler Eigentum, der Pilot kam vom NSFK-Wesel, aber auch das Brüner Flugzeug wurde nach den Überlieferungen ausprobiert. Zeitzeugen wussten zu berichten, dass der Pilot Schulten an dem Flugtag auf dem Brüner Kugelberg von dem Aufwind und den Flugbedingungen begeistert war. Das Segelflugzeug wurde von einer Seilwinde, die an der Feldkante vor dem Hof von Bernhard Neuenhaus (Schüring) stand, zum Start hochgezogen. Verschiedene Modellflugzeuge wurden den zahlreichen Zuschauern an diesem Flugtag ebenfalls vorgeführt.
Die Brüner „Skispringer“ am Kugelberg
Der strenge Winter 1941/1942 mit hohem Schnee machte die jungen NSFK-Mitglieder erfinderisch. Statt der Flugmodelle wurden nunmehr Ski hergestellt. Mit viel Fachkenntnis und Raffinesse wurde das Holz zugeschnitten. Um die Skispitzen biegen zu können, wurde sie in kochendes Wasser im „Kuhpott“ getränkt. Man legte sie auch in Jauche, denn mit diesem „stinkigen“ Trick konnten die Skispitzen ebenfalls gebogen werden. Die Halterung stellte eine Schmiedeangelegenheit mit Riemen und Schnallen dar. Mit Kerzentalg und Bügeleisen wurden die Skier schließlich gewachst und so für eine nach damaligen Verhältnissen höchstmögliche Gleitfähigkeit gesorgt.
Der Kugelberg war die hierfür geeignete Sportstätte. Die Jugend aus dem Dorf hatte dieses ideale Wintersportgelände schon lange vorher zum Rodeln entdeckt. Für die Skispringer befand sich an der Südseite eines etwa ein Meter tiefen Hanges die Sprungschanze. Dieser Höhenunterschied, mit weiteren Schneemassen angereichert, reichte für die Brüner Anfänger aus, um ihre Flugkünste auszuprobieren.
Flakstellung am Kugelberg zum Kriegsende
Die Kriegsereignisse am Niederrhein im März 1945 waren kriegsentscheidend und gingen auch an Brünen nicht spurlos vorüber. Die alliierten Truppen hatten den Rhein auf breiter Front erreicht. Mit der Operation „Plunder“ gelang der Rheinübergang. Teil davon war die größte Luftlandeoperation des 2. Weltkrieges, die Operation „Varsity“.
Brünen besaß zwar keine Bahnverbindung und keine Industrie, aber die Provinzialstraße (B 70) führte durch Brünen. Diese Straße war nicht nur für die deutschen Truppen die wichtigste Rückzugsstraße, sondern gleichzeitig für die alliierten Truppen die wichtigste Verkehrsader für den weiteren Vormarsch in östlicher Richtung. Ein weiterer Nachteil für Brünen waren die Brüner Höhen mit dem östlich vorgelagerten Kugelberg. Hier hatte der Volkssturm mit anderen noch verfügbaren Arbeitskräften eine provisorische Verteidigungslinie im Wald vorbereitet sowie eine Flakstellung errichtet. Die lange Hangschleppe des Kugelbergs bot den Angreifern auf hunderte Meter keinerlei Deckung, trotzdem war der amerikanische Angriff mit Jagdbombern erfolgreich. Acht oder neun Artilleristen sollen am 24.März 1945 auf dem Kugelberg ihr Leben verloren haben.
Der Kugelberg bei Brünen in einer britischen Luftaufnahme vom 24.03.1945. Die Flakstellung auf dem Berg ist gut zu erkennen. Eine Dreieckstellung zeigt, dass die schweren Geschütze von leichter Flak geschützt wurden. Am bewaldeten Westhang sind Schützengräben angelegt worden. (Fotoausschnitt von Seite 457 aus „Die Luftlandung“ von Johann J. Nitrowski)
Aus den vorstehenden Beschreibungen und Geschichten geht hervor, dass der Kugelberg und die Brüner Höhen für die urgeschichtliche Besiedlung, die nachfolgende Entwicklung und das dörfliche Leben von Brünen immer eine besondere Rolle gespielt haben.
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