Gotteshäuser sind nicht nur Zeugen kirchlicher Geschichte, sondern geben uns Aufschluss über die Geschichte des Ortes und der Region im Allgemeinen. So ist es auch in Brünen. Allein die Tatsache, dass bereits Anfang des 9. Jahrhunderts eine Holzkirche erwähnt wird, zeigt, dass hier eine frühe Besiedlung stattgefunden hat. Auch die Inschrift auf der alten Bronzeglocke(„……St. Petrus werde ich genannt.“) gibt den Hinweis auf eine frühe Kirche in Brünen. Wie die Entwicklung von der einst katholischen Petri-Kirche zur Evangelischen Dorfkirche war und damit die Veränderung des Kircheninneren einherging, sollen die folgenden Erläuterungen zeigen.
I. Kenndaten der Reformation in Brünen (von Günter Heiligenpahl)
1506 Albert then Westendorp ist katholischer Pastor in der Brüner Dorfkirche St. Peter
1517 Beginn der Reformation in Wittenberg
1520 Erste Ansätze der Reformation in Wesel mit Ausstrahlung in die Umgebung
1521 Derik de Grave wird Kaplan in Brünen. Er war von 1505 bis 1515 Prior des Augustinerklosters Marienthal. Die Augustinerklöster waren die Keimzellen des neuen Glaubens. Er hat vermutlich die Reformation in Brünen begonnen.
1539 In dem Werk „ Annales Ecclesiastici“ wird für Brünen ein evangelischer Pfarrer angegeben.
Herzog Wilhelm V. von Kleve tritt die Erbfolge an. Er war von einem evangelischen Lehrer erzogen worden.
1540 Erstes Abendmahl mit Wein und Brot im Weseler Willibrordidom zu Ostern
1541 Johann von Honselar, in Brünen geboren und Mönch aus dem Kloster Marienthal wird als neuer Pastor von Münster in Brünen eingesetzt. Er hat die Gottesdienste halb lutherisch und halb katholisch durchgeführt, um einerseits mit der Brüner Bevölkerung und andererseits mit seinem Herrn dem Bischof von Münster auszukommen.
1560 Rutger von der Ruhr, aus der Familie von Gut Venninghausen, wird vom Bischof in Münster als Pastor in Brünen eingesetzt. Er hat anfangs die Gottesdienste wie sein Vorgänger gehalten.
1566 Rutger von der Ruhr bittet den Bischof um seine Entlassung, u.a. wegen eines Kaplans in Brünen, der die Gemeinde von der calvinistischen Lehre überzeugt hatte. Der Kaplan war Johann van Eyck aus Bocholt, der spätere Pfarrverwalter von Brünen.
1568 Erster Weseler Convent. Hier wurde die presbyteriale und synodale Kirchenordnung in der reformierten, calvinistischen Ausrichtung ausgearbeitet.
1570 Johann von Ruhr (Gut Venninghausen) wird in Brünen Pastor. In den Folgejahren wird die Brüner Kirche umgestaltet und bis auf den Hochaltar alles entfernt oder weiß überstrichen, was nicht zur calvinistischen Lehre gehörte.
1572 Der Vertrag vom 5. Oktober 1572 zwischen dem Bistum Münster und dem Herzogtum Kleve, wonach die in der Mehrheit evangelisch gebliebene Gemeinde Brünen gegen die katholische Gemeinde Dingden ausgetauscht wurde, führt Brünen endgültig dem, der Reformation aufgeschlossenen Territorium Kleve zu.
1579 Als Brüner Pastor besucht Johann von Ruhr zum ersten Mal die Synode in Wesel. In den Folgejahren ist er dort regelmäßiger Gast.
1581 Johann von Ruhr stirbt. Der lutherisch gesinnte Prediger Jacob Honselar übernimmt in Brünen die Pfarre und bleibt insgesamt über 50 Jahre.
1585 Im Zuge der gewalttätigen Gegenreformation durch die Spanier wurde Brünen verwüstet und in der Kirche brachen sie den Hochaltar ab. Die Brüner waren vorher mit ihrer beweglichen Habe in die schützende Festung Wesel geflüchtet. Bei der Eroberung Wesels durch die Spanier und der Heimsuchung durch die Pest in der Enge der Stadt fanden viele Brüner den Tod. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden sind sie unter dem spanischen Druck aber nicht wieder katholisch geworden.
1593 Am 10. August konnte Pastor Honselar mit einem kleinen Rest der einst so bevölkerungsreichen Gemeinde wieder einen Gottesdienst in der Brüner Kirche halten. Es wurde ein neuer Hochaltar errichtet, was auf die lutherische Einstellung von Jacob Honselar hindeutet.
1603 – 1606 Mehrere Versuche der Spanier, Brünen zu rekatholisieren. Der von ihnen eingesetzte Richter Akolk besetzte die Kirche, um einen katholischen Gottesdienst zu erzwingen. Beherzte Kirchmeister, Küster und Gemeindemitglieder wehrten diesen Versuch tatkräftig ab.
1624 Der lutherische Prediger von Drevenack Adam Lohmann wird in Brünen Vikar. Pastor Honselar wird von den Spaniern seines Amtes enthoben. In dieser Zeit betreut der Prior von Marienthal Augustin Ullrici die Pfarrstelle mit.
1630 Der reformiert ausgerichtete Hilfsprediger Wilhelm Bergmann tritt seinen Dienst an und setzt endgültig die reformierte, calvinistische Lehre in Brünen durch. Ein Jahr später wird er Pastor in Brünen.
1633 Am 12 März schreibt der Bischof von Münster einen Brief an seinen, für Brünen zuständigen Archidiakon und forderte ihn auf, die katholische Religion wieder einzuführen und die Lehren der Reformation auszurotten. Auch dieser letzte Versuch, die Brüner umzustimmen, misslang. Die neue Glaubensrichtung hatte sich endgültig durchgesetzt.
II. Turmeingang
Die äußerlich sichtbaren romanischen Stilelemente sind auch im Turmraum an den Rundbögen erkennbar. Bei den Renovierungsarbeiten ab 1999 wurde ein Fenster freigelegt und man verzichtete darauf, das ausgebesserte Mauerwerk zu verputzen. Außerdem sind Verstrebungen erkennbar, die den Turmmauern wieder Stabilität geben. Seit 1965 ziert die Bronzefigur „Die Trauernde“ von Otto Pankok den Raum. Die Figur sitzt auf den Trümmern des II. Weltkrieges und ist ein Denkmal für die Toten jenes Krieges.
III. Innenraum
Als in der Spätgotik (die Südtür trägt die Zahl 1478) Chor und Mittelschiff entstanden, hat man auch hier nicht alles überbaut. Zwei Rundsäulen sowie zwei Halbsäulen mit runden Basen und Kapitellen, die mit Löwen und streng stilisierten Menschenköpfen geschmückt sind, erinnern an die Romanik.
1. Fresko (Auszüge aus einem Artikel von Klaus Bambauer aus „DER WEG“ 17/1994)
Im Sommer des Jahres 1909 stieß man bei Renovierungsarbeiten in der Dorfkirche Brünen auf die unter dem weißen Putz verborgenen Heiligen Apollonia, Thomas und Katharina. Die Apollonia (links) trägt in der Hand eine Zange. Ihre Hilfe und Fürbitte wurde in der Frühzeit bei Zahnschmerzen angerufen, und sie gilt als Patronin der Zahnärzte. Apollonia lebte in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts in Alexandrien.
In der Mitte des Freskos steht Thomas, der in der linken Hand eine Lanze hält. Der Apostel Thomas wird häufig auch als der „Ungläubige“ bezeichnet, gemäß dem Johannes-Evangelium Kapitel 20. Er gilt als der Patron der Architekten, Feldmesser, Geometer, Maurer und Zimmerleute.
Ganz rechts steht Katharina von Alexandrien, die zu den vierzehn Nothelfern gehört. Diese frühchristliche Märtyrerin ist Patronin der Gelehrten, vor allem der Philosophen, der Bibliotheken und Schulen, der Studenten und Schüler sowie der Gewerbetreibenden wie etwa der Müller und der Wagner, weshalb sie auch in Brünen mit einem zerbrochenen Rad in der Hand gemalt wurde.“ Wie Katharina so erlitten auch Apollonia und Thomas den Märtyrertod.
„Dieses großformatige Fresko in der Brüner Kirche wurde 1909 unter Leitung des Provinzial-Konservators Professor Dr. Paul Clemen restauriert. Die dargestellten Figuren, eine Seltenheit in einer evangelischen Kirche, haben glücklicherweise den Bildersturm des 16. Jahrhunderts überstanden und regen auch heute immer wieder Besucher wie auch Fachleute zur Betrachtung und Bewunderung an.“
2. Totenschilde (Epitaphien)
Die drei Gedenktafeln geben Auskunft über Todesdaten und Wappen der westfälischen Familie von Rohr ( andere Schreibweisen: von der Ruhr, von Roer), die im 16. und 17. Jahrhundert auf Gut Venninghausen wohnten.
Das jüngste Epitaph:
„OBYT 1685 DEN 15. APRIL (Wappen: Löwe als Helmzier und groß im Schild)
Das mittlere Epitaph:
OBYT 1666 DEN 14. JANUARIS ROHR“ (Wappen: Löwe als Helmzier und in der oberen Schildhälfte)
Das älteste Epitaph :
„OBYT (gestorben) ANNO 1636, 14. November“ ( Wappen: gekreuzte Schwerter und Kleeblätter).
Dieses Schild zeigt ein ganz anderes Wappen als die anderen beiden. Außerdem scheint es übermalt worden zu sein, da an den Rändern Blattwerk hervorragt. Das Wappen ist der Familie Welvede/Diepenbrock zuzuordnen. Inwieweit eine verwandtschaftliche Beziehung zur Familie von Rohr bestand, ist nicht genau nachweisbar. (aus: Sieben unter einem Dach“ von Helmut Rotthauwe gen. Löns, herausgegeben von der Gemeinde Hamminkeln.
3. Der blaue Stein
Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) soll sich folgende Geschichte abgespielt haben (aus: „Ehre sei den wackeren Brünern“, Günter Heiligenpahl, Seite 156):
„Nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Kollin war der Mut des Heeres, wenn nicht gerade gebrochen, doch sehr gesunken. Einige dieser Mutlosen, darunter mehrere Brüner, die Sache des Königs für verloren haltend, beschlossen, das Heer zu verlassen, um in die Heimat zu kehren, während ihre tapferen Brüder aus demselben Orte fest zu ihrem König hielten und mit ihm Glück und Unglück zu teilen beschlossen. Obgleich die treulos die Fahnen Verlassenden in ihrer Heimat, die von den Franzosen besetzt war, eine friedliche Aufnahme erwarteten, mussten sie bei ihrer Ankunft erfahren, daß sie sich bitter getäuscht hatten. Die Eltern dieser ausgearteten Söhne , voll hoher Begeisterung für des Königs gerechte Sache, die sie auch als die ihrige behaupteten, verweigerten den Ausreißern einen längeren Aufenthalt in der Heimat und zwangen dieselben, wieder zu ihrem „Vater Fritz“ zurückzukehren, um als wackere Krieger ihre Pflicht als treue Vaterlandssöhne hier zu erdulden.
Daß der große König den Zug vaterländischer Treue nicht vergessen hat, hat er dadurch bewiesen, daß durch seine Vermittlung in der Kirche zu Brünen zum Andenken an diese hochherzige Tat ein Denkstein aufgerichtet wurde. Durch welche Umstände dies Vorhaben erst unter der Regierung seines Nachfolgers Friedrich Wilhelm II.im Jahre 1791 in Ausführung gekommen ist, ist dem Berichtenden nicht bekannt.“
Bei der öffentlichen Feier zur Aufrichtung des Denksteins waren als besondere Gäste erschienen: der damalige Kommandant von Wesel Graf von Schlieffen, Offizier von Spitael und die in der Gemeinde noch lebenden Veteranen Schlabes, Dahlmann und Hoddick.
Nach mündlicher Überlieferung soll bei der Rückkehr der Brüner Deserteure der „Alte Fritz“ folgendes gesagt haben: „Aus Brünen? Daher desertiert keiner nicht.“ Friedrich der Große besuchte zwischen 1740 und 1768 insgesamt sechs Mal die Festungsstadt Wesel, so dass ihm der Ortsname Brünen durchaus ein Begriff gewesen sein kann. Der durch den Weseler Stadtkommandanten Graf zu Schlieffen im Chorraum aufgestellte blaue Stein war lange Zeit der einzige Schmuck des reformiert gehaltenen bildlosen Kirchenraumes.
4. Das Grab unter der Treppe
Bei Renovierungsarbeiten in den 1960er Jahren wurde unter der Treppe ein Grab entdeckt. Soweit nichts Ungewöhnliches, wurde doch in früheren Zeiten in den Kirchen bzw. um die Kirchen herum beerdigt. Man fand ein Skelett mit Stoff- und Lederresten sowie Metallknöpfen einer Husarenuniform. Archäologen kamen zu dem Ergebnis, dass der Tod durch eine Schädelverletzung eingetreten war. Der Kopf zeigte ein Loch, möglicherweise das Ergebnis eines Pistolenschusses.
Folgende Überlieferung zu einem Duell Blüchers in der Brüner Heide lautet (Aus der Geschichte Brünens, Hermann Landwehr, Studienrat i.R., 1954 im Eigenverlag erschienen):
„Blücher, damals jüngerer Offizier in Münster, sei auf einem (Weseler?) Balle mit einem anderen Offizier jener lebensfrohen Kreise, Quintus Icilius, in einen Rempelstreit geraten, der zum Duell führte. Dieses Duell wurde nach Brünen, in eine stille Gegend zwischen Münster und Wesel verlegt und fand auf dem Heidehof von Herbers statt, wo noch zwei Sträucher zur Erinnerung gepflegt wurden. Hier habe Blücher nach den Worten: „ Du hast schon manchen umgebracht, aber an dieser Kugel sollst du sterben!“ Quintus Icilius tödlich getroffen. Die Leiche lag, so lautete der Hofbauernbericht, auf einer Leiter im Nebenraume des Zimmers der Zusammenkunft und Blücher sei dann mit seinen Sekundanten davongeritten, Icilius aber in der Kirche zu Brünen „unter der Treppe“ beerdigt.“ Ein Eintrag im Brüner Sterberegister von 1799 bezeugt diesen Vorfall. Ob allerdings, was unter Brünern von Generation zu Generation weitergegeben wurde, der Tote ein Pflegesohn bzw. Patensohn Friedrich des Großen war, wurde letztendlich nicht geklärt.
5. Gestühl, Abendmahlstisch und Kanzel
Der Abendmahlstisch von 1955 und dahinter die Kanzel von 1827 befinden sich etwa am Übergang vom Hauptschiff zum Chor. Das Gestühl ist von drei Seiten um Abendmahlstisch und Kanzel angeordnet und zeigt damit deutlich den Übergang von der einst katholischen Kirche zur evangelisch-reformierten Predigtkirche.
6. Orgelgeschichte
Wolfgang Kostujak, Dozent an der Volkwang-Hochschule und langjähriger Organist in der Kirchengemeinde Brünen schrieb einem Beitrag für die Festschrift anlässlich der Einweihung der neuen Oppel-Orgel am 19.05.2019. Diesem Text wurden Beispielsbilder von Orgelbauern hinzugefügt, die für Brünen eine Orgel gebaut haben.
„Vom harmonischen Zusammenwirken aller Stimmen
Dreihundert Jahre Orgelgeschichte unter dem Brüner Kirchengewölbe.
Seit dem 17. Jahrhundert werden Orgeln in evangelischen Kirchen genutzt, um den neuartigen protestantischen Choralgesang der Gemeinden zu begleiten. Und was das angeht, ist Brünen ein Ort der ersten Stunde: Der früheste Hinweis auf einen Organisten stammt aus dem Jahr 1693, in dem das Sterberegister der Gemeinde Tod und Begräbnis der Franuw des Organisten Christoffel Armbrost verzeichnet.
Seinem Nachfolger – einem gewissen Herder (wie Armbrost ein Zugezogener in Brünen) – sind dagegen kaum mehr als sieben Jahre auf der Orgelbank vergönnt: Herder stirbt 1720. Bis 1752 spielt dann Küster Jakob Goldschmeding die Orgel, gefolgt von seinen Söhnen. So gründlich die Personalia der ersten Daten zum Thema „Orgelspiel“ in Brünen dokumentiert sind, so wortkarg zeigt sich die Chronik in Bezug auf das Instrument. Ein klares Wort zu diesem Thema fällt erst, als das Instrument in den Jahren zwischen 1751 und 1753 nicht richtig funktioniert. Der Orgelbauer, der daraufhin zwischen 1751 und 1753 einbestellt wird, trägt kurioserweise denselben Familiennamen wie der älteste bekannte Organist des Ortes. In den Kirchenrechnungen findet sich der Vermerk, „dass der Orgelstimme(r) Johann Armbrost zu Brünen geweßen (ist) und daß (er die) Orgel gestimmet darüber bey Goldschmeding an Eßen Trinken und Schlaffen mit 2 Man Verzehret ein quart Wein.“
Wie der Organist Christoffel, so dürfte auch Johann Armbrost aus einer verzweigten Familie von Musikern und Instrumentenbauern stammen, die seit dem späten 17. Jahrhundert von Schermbeck aus in vielen niederrheinischen Kirchen für den guten Ton sorgt und deren jüngster dokumentierter Spross, Jacobus, mit einigen großartigen Instrumenten einmal Orgelbaugeschichte in der heutigen Provinz Overijssel in den Niederlanden schreiben wird.
Über das Instrument, das unter den Händen Armbrosts, Herders und der Herren Goldschmeding in Brünen erklungen ist, lassen sich auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keine belastbaren Angaben finden. Außer eben, dass es gelegentlich nicht gespielt. Offenbar greift man in Brünen seinerzeit erst dann zur Feder, wenn irgendwas nicht funktioniert. So zeigt etwa der Küster und Organist Laurentz Goldschmeding am 27. Juli 1777 an, dass die Blasebälge der Orgel baufällig, und dass das Consistorium mit Zuziehung der sämtlichen Geerbten beschlossen habe, um Kosten zur Reparation zu erlangen.
Bis zur Anschaffung eines neuen Instruments vergehen noch mehr als fünfzig Jahre. Eine neue Orgel mit 24 Registern, erbaut von Daniel Nolting in Emmerich, wurde im Jahre 1828 angeschafft und am 6. Juli diesen Jahres in Gebrauch genommen, wobei der Ortpfarrer über Psalm 118 Vers 24 predigte. Die Kosten in der Höhe von 1.500 Taler clev. sind durch freiwillige Beiträge der Gemeindeglieder, wozu auch die Knechte und Mägde beitrugen, aufgebracht worden.
Zum ersten Mal in der Brüner Kirchengeschichte erscheint dort der Name eines Orgelbauers: (Johann) Daniel Nolting. Das schlichte, klassizistische Gehäuse, mit dem er sein Instrument erfasst, umgibt die Brüner Orgeln bis heute. Als Nolting im Sommer 1828 das Instrument abliefert, da gilt der gute Ruf, den sich der 71jährige Emmericher in seiner über vierzigjährigen Berufspraxis erworben hat, aber weniger dem Design von Gehäusen als dem Wohlklang von Instrumenten. Und der beruht womöglich vor allem auf den Grundlagen des klassisch französischen Orgelbaus, die er bei seinem Lehrherrn Jacob Courtain erworben hatte. Ganz im Einklang mit seinem Ruf bezeichnet das Protokoll der Kreissynode Wesel, Rees 1829 das Instrument einhellig als vortreffliche Orgel.
Letztlich kann die Qualität von Noltings Arbeit aber nicht verhindern, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nach fast 80 Dienstjahren, der Zahn der Zeit an dem Instrument genagt zu haben scheint. Eine Reparatur sei aufgrund hoher Kosten nicht empfehlenswert. Nach einer in Wesel (Willibrordi) gebauten Orgel wird auch in Brünen durch den Orgelbaubetrieb Wilhelm Sauer (Frankfurt/Oder) mit dem Bau eines vollkommen neuen Kegelladen-Instruments im Gewand des alten Nolitng-Gehäuses begonnen.
Nach über 50 Jahren Lebenszeit schwebt aber auch über diesem Instrument die Abrissbirne, und wie bereits im Fall der Nolting-Orgel, attestieren die Verantwortlichen zu allererst eine mechanische Altersschwäche: Nach Auskunft des Organisten Karl Plato ist das Holz der Pfeifen so stark vom Wurm befallen und die Lebermembranen (…) sind so hart geworden, dass -so Plato wörtlich- die Zeit vorauszusehen ist, wo die Orgel aus dem letzten Loch pfeift.
Im Hintergrund stehen aber auch hier wieder Geschmacksfragen: Das Publikum der 50er und 60er Jahre findet immer weniger Freude an dem tieftönenden Schmelzklang spätromantischer Orgeln. Stattdessen begeistert es sich für den vermeintlich klareren Spaltklang barocker Instrumente. Nach einer Orgelfahrt in die Schlosskirche Schleiden/Eifel und einer Begehung der dortigen Christian-Ludwig-König-Orgel durch Brüner Organisten, Chormitglieder und Presbyter steht fest: Ein Instrument dieser Art soll in Zukunft auch in Brünen erklingen. Und so erhält die Orgelbauanstalt Stahlhuth zu Beginn der 60er Jahre den Auftrag zum Abbruch der alten Sauer-Orgel und zum Aufbau einer Stilkopie nach Eifler Vorbild.
Dazu – und um dem stark gewachsenen Kirchenchor einen festen Platz auf der Empore zu gewähren – nimmt Stahlhuth einschneidende Veränderungen am historischen Gehäuse und an der Empore vor: Die ehemals von der südlichen Kirchenwand aus bespielte Orgel mit ihrem Ober- und Unterwerk wird jetzt in zwei Teile partitionierter: Als Rückpositiv (auf einem vorgelagerten Balkon) und als Hauptwerk (vor der zum Turm hin durchgebrochenen Rückwand). Die Pfeifen des Pedalwerks finden ab jetzt Platz hinter einem Durchbruch zum Turm. Der Organist kann von einem frei stehenden Spieltisch aus gleichzeitig Orgel spielen und den Chor dirigieren.
Nach rund vier Jahrzehnten wirft aber auch diese Ingenieursleistung länger werdende Schatten: Die großen Entfernungen zwischen den verschiedenen Teilen der Orgel und die damit gewachsenen Trakturwege erwiesen sich als ebenso störanfällig wie die weiten Wege der Windkanäle und die 1963 verbauten elektrischen Komponenten und experimentellen Materialien: So hat die Firma Stahlhuth etwa einige Bestandteile der Windladen – entgegen den Wortlaut des Angebotstextes, der von Eiche spricht – aus neuartigen und holzwurmresistenten Faserplatten gefertigt, deren Resonanzeigenschaften damals ebenso wenig erprobt waren wie ihre mechanische Funktion und die Dauerhaftigkeit ihrer Stabilität.
Nachdem bei einem ersten Anlauf zu einem Neubau in den Jahren 2004 bis 2006 zunächst eine Rekonstruktion der Nolting-Orgel von 1828 ins Auge gefasst wird, geht es jetzt – im finalen Plan unter Beteiligung des landeskirchlichen Orgelsachverständigen Andreas Pumpa und des Kreiskantors Ansgar Schlei sowie der amtierenden Gemeindemusiker, mehrerer Presbyter und Gemeindevertreter – darum, Kompromisse aus den Diskussionen der letzten Jahre zu schließen: Zwischen Rekonstruktion und Neugestaltung, historischem Bestand und ausgefuchster Neuanordnung, aber auch zwischen dem Klangbild der Ursprungsorgel mit ihrem traditionell bewährten Materialien und den Segnungen modernster Technik.
Wenn die neue Oppel-Orgel mit ihren 33 Registern auf zwei Manualen und einem Pedalwerk zum ersten Advent 2018 (*) in Dienst genommen wird, geht für die Brüner Gemeinde eine lange, leidenschaftlich geführte Diskussion zu Ende. Wie ein Spiegelbild der vielen Einzelmeinungen und dem Wunsch nach einer großen, übergeordneten Lösung, soll das Klangkonzept des nächsten Instruments die Summe einzigartiger Charakterstimmen in einen großen, harmonischen Gesamtklang vereinen.“ *Anm.: Aufgrund von Verzögerungen im Bau der neuen Oppel-Orgel wurde diese am 19.05.2019 festlich in Dienst gestellt.
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