Die Brüner Dorfstraße ist Teil der Verbindung von Wesel als Hansestadt am Rhein in das westfälische Hinterland über Raesfeld und Borken. Das beeinflusst bis heute das Leben und Wirken im Brüner Ortskern ganz wesentlich und wirkt wie eine Nabelschnur in unserer ca. 4.600 ha großen Landgemeinde. Um die am Anfang des 9. Jahrhunderts erbaute und von Bischof Ludger geweihte Kirche herum hatte sich in den Jahrhunderten danach ein klassischer Ortskern entwickelt.
Für uns sichtbar geworden ist das durch die kartografische Erfassung in der Landvermessung durch die Preußen Anfang des 18. Jahrhunderts. Aus der hier dargestellten Karte aus dem Klever Urkataster lässt sich der Brüner Dorfkern und die Dorfstraße erkennen.
Wie das Bild der Dorfstraße in Brünen und das Leben links und rechts davon zwischen dem 9. Und dem 18. Jahrhundert aussah, lässt sich nur mit den allgemeinen Erkenntnissen der Historiker über diese Zeitspannen beschreiben.
In seinem „Beitrag zur Geschichte von Brünen“ schreibt Dr. Otto Hess unter anderem: „Als Folge der Bevölkerungszunahme kamen im Laufe der Zeit immer mehr und mehr Höfe dazu. Es ergab sich somit das charakteristische Bild von Brünen, das alte Siedlungsgebiet macht durch die Geschlossenheit den Eindruck eines Dorfes, während alle jüngeren Ansiedlungen Einzelhöfe sind, d.h. in der ganzen Gemarkung zerstreut liegen. Der Dorfkern dürfte sich allmählich seit dem 12. Jahrhundert gebildet haben.“
Die Veränderung des Dorfkerns lässt sich an den noch vorhandenen Bildern und Zeichnungen von den Häusern entlang der Dorfstraße ablesen. Die älteste Darstellung ist ein Gemälde von Heinrich Zurmühlen und zeigt die Dorfstraße mit einigen Häusern aus der Zeit um 1820.
Auf der linken Seite im Bild 1 sehen wir das Haus der Familie Majert mit der Scheune rechts daneben, wo am Giebel Schützenscheiben angebracht wurden. Dann mit der „Enddör on Mistfahlt“ zur Straßenseite die Seiters Kathe, später das Haus der Familie Zurmühlen.
Daneben das Haus der Familie Martin Schmidt, später Fuhrmann. Auf der rechten Seite ist die alte Feuerwache mit Polizeistation zu sehen, die vor der Kirche stand.
1818 erfolgte die erste Pflasterung der Dorfstraße, wobei alle Einwohner der Gemeinde Hand- und Spanndienste leisten mussten. Bis zu der Zeit floss die Beek noch über die Dorfstraße. 1844-1849 begann unter dem Ortsvorsteher Bartholomäus von de Wall der Ausbau der Straße von Wesel über Brünen und Raesfeld nach Borken, die damals “Provinzialstraße“ hieß, mit allen Brückenbauwerken. Es zog sich über 10 Jahre hin .
Folgen wir der Dorfstraße, auf dem Weg von Wesel kommend, durch Brünen mit den uns noch vorliegenden Bildern:
Im Bild 2 die Dorfeinfahrt von Wesel kommend im Jahre 1896. Auf der linken Seite beginnend das Hofgebäude und das Vorderhaus der Familie Buchmann. Dann folgt das Haus mit der späteren die Gaststätte Titzhoff (Steenbeck op Eck), danach Pollmann, was Mitte der 1970er Jahre wegen Verlegung der Weseler Straße abgebrochen wurde und heute Parkplatz des Landgasthofs Majert ist.
Im Hintergrund auf der linken Seite die Dorfkirche mit der alten Turmhaube (Bischofsmütze) und rechts daneben das alte Schulgebäude. Dann geht es rechts weiter mit der Schmiede und dem Wohnhaus der Familie Beling. In dem weiter rechts darauf folgenden freien Stück ist der Garten mit der Umzäunung der Familie Buchmann.
Wenn man dann weiter ins Dorf fuhr oder geht, erblickte man die Brüner Kirche, im Bild 3 mit dem am 08. Juni 1877 eingeweihten Kriegerdenkmal und der Statue der Germania.
Anfang 800 errichtete Ludger, der erste Bischof von Münster, in Brünen eine Missionskirche, wahrscheinlich ein Holzbau auf dem Stemmingholt. Später erfolgte der Bau einer Kirche aus Stein am heutigen Platz. 1271 kommt die Brüner Pfarrkirche in das Patronat des Frauenklosters zu Wesel. Die heutige Kirche trägt im Wesentlichen das Gesicht des 15. Jahrhunderts. Im Turm und im Seitenschiff befinden sich noch Bauteile aus dem 12. Jahrhundert. 1899 wurde die alte Haube des Turmes abgebrochen, ein zusätzliches Stockwerk und ein hoher Turmhelm errichtet, was zu der heutigen Gesamthöhe von 43 Meter führte.
In den 1960er Jahren wurde die Brüner Dorfkirche im Inneren restauriert, wo die Empore entfernt und die Gewölbe freigelegt wurden. Im Turm hängen seit 1922 drei Stahlgussglocken und seit 1962 auch wieder die Bronzeglocke von 1472, die bis dahin im Eingangsbereich der Kirche stand.
Wenn man vor der Kirche stehend den Blick nach rechts nimmt, schaut man auf den Marktplatz, der in den Jahrhunderten Brüner Geschichte ein Mittelpunkt dörflichen Lebens war. Im Hintergrund dieses Bildes 4 aus den 1930er Jahren ist die Schenkwirtschaft Hermann Köster zu erkennen.
Am Ausgang des Marktplatzes zur Dorfstraße lagen die Schmiede Beling und das Wohnhaus der Familie. Das Bild Nr. 5 ist um 1915 entstanden
Geht man den Weg weiter auf der Dorfstraße so findet man auf der linken Seite des Bildes 6 um 1910 als erstes die Gaststätte Titzhoff (Steenbeck op Eck), später Pollmann. Dahinter die Gaststätte Majert mit dem Stall dahinter, wo 1926 der Saal unter tatkräftiger Mitwirkung des Schützenvereins und des Kriegervereins entstand. Dann folgen die Häuser der Familien Rohler (später Zurmühlen) und Fuhrmann.
Wenn man an der Gaststätte Majert vorbei durch die Rechtskurve kommt, gibt es viele Bilder, die die Entwicklung der Dorfstraße über die Jahrzente der letzten zwei Jahrhunderte zeigt.
Im Bild 7 von 1890 erkennt man den Bewuchs in den Vorgärten der Häuser auf der linken Seite. Die Dorfstraße ist in dieser Zeit noch sehr schmal. Als erstes auf der linken Seite sieht man das alte Lehrerhaus von Landwehr. Auf dem Grundstück hinter dem Bewuchs war zu dieser Zeit ein Garten, auf dem zu Erntedank auch Kirmesbuden standen. Nach dem 2. Weltkrieg entstand hier die Autowerkstatt von Lackermann. Im Hintergrund das in dieser Zeit neu errichtete Haus Brans. Rechts folgend daneben das Haus der Familie Wertheim, die Gaststätte „Op den Hövel“, Buchmann-Dahlhaus und vorne rechts das Wohnhaus der Familie Hecheltjen heute Hopermann.
Im Bild 8, welches 1912 entstand, sieht man die Veränderungen. Die Dorfstraße wurde verbreitert und bekam Bürgersteige und die Elektrifizierung mit Strommasten. In den Häusern von links nach rechts wohnten die Familien Elkan (danach Halswick, später Mölls), Cappell, Willich, dann das Lehrerhaus von Landwehr, darüber erkennt man das Haus von Dr. Seelheim und die Dachspitze des Hauses der Familie Bongers. Neben dem Lehrerhaus sieht man die Hausecke von Hecheltjen mit dem Vorplatz, wo der Planwagen davorsteht.
Auf dem heutigen Hofplatz des Landhandels Hopermann, direkt neben der Beek hatte 1865 der Schuhmacher Johann Heinrich Schween aus Brünen auf seinem Gründstück eine Gerberei eingerichtet. Dann weiter rechts das Lehrerhaus, die Werkstatt von Malermeister Brücker und Schumachermeister Henckel.
Das Bild 9 von 1930 zeigt im weiteren Verlauf der Dorfstraße links die Schmiede Muche, später Pagel. Dann folgt im Hintergrund die Gaststätte „Waldesruh“ im Hause Brans. Rechts daneben das Haus der Familie Wertheim und davor erkennt man den kleinen Saal der Gaststätte „Op den Hövel“, Buchmann-Dahlhaus. Vor der Straßeneinmündung vorne rechts zur Rohstraße erkennt man eine Litfaßsäule.
Im Bild 10 von 1900 die Dorfstraße mit Blick zurück und im Vordergrund die Brücke über die Beek, deren Geländer man auf beiden Seiten der Dorfstraße erkennt. Ganz links die Kirche davor das Lehrerhaus und dann die Häuser mit den Werkstätten der Familien Brücker und Henckel. Im Hintergrund die Gaststätte Majert, dann rechts weiter die Häuserfronten von Zurmühlen, Fuhrmann, Mölls, Cappell und vorne rechts Willich.
Wenn man der Dorfstraße um die folgende scharfe Linkskurve vor dem Haus Brans folgt, stand auf der linken Seite in der Kurve bis 1915 Haus der Familie Aldenpaß, Bild 11, die später zum Stemmingholt hinter der Molkerei umgezogen ist. Dann entstand hier die Schmiede von Walter van Laar, danach übernahm die Familie Muche, später Willi Pagel.
Im Bild 12 hinter der Kurve hinauf zum Stemmingholt schaut sind alle Häuser entlang der Dorfstraße zum Stemmingholt hinauf zu sehen.
Die Bezeichnung eines Abschnitts dieser Straße als „Pissenberg“ hat einen besonderen Hintergrund. Gegenüber dem oberen Bransberg, etwa in Höhe der ehemaligen Schmiede Fenneken und dem Geschäft Wilhelm Schulten, befand sich vormals ein kleines Wäldchen. Die Dorfbewohner lagerten hier die sogenannten Buschen. Dies war gebundenes Anmachholz für Öfen oder Wasch- und Viehkessel, das wegen der Feuergefahr nicht im Dorf gelagert werden durfte. Kirchenbesucher aus dem entfernten Dämmerwald und Havelich benutzten dieses Versteck, wenn nötig, zur Erledigung ihrer Bedürfnisse, zum Beispiel vor dem Kirchgang, am „Pissenberg“ also. Das Bergwäldchen hatte damit seinen Namen weg, der bis in die heutige Zeit geläufig ist.
Auf der linken Seite sieht man auf dem Bild das hoch aufragende Haus von dem Arzt Dr. Seelheim, was 1903 erbaut wurde. Dahinter folgen die Häuserfronten von Hardacker (Süßwaren und Heißmangel), Rütter, Breuchen-Hanzen und Kampen. Hinter dem dann folgenden freien Stück folgen Dames und Zurmühlen.
Das Bild Nr. 13 ist von 1903 und wurde von Dr. Seelheim aus dem Hause Brans, seiner damaligen Wohnung mit Praxis, aufgenommen. Soldaten der Garnisonstadt Wesel marschieren zu einer Übung über die Dorfstraße in Brünen.
Vorne rechts im Bild die Ecke des Hauses des Bauern August Aldenpaß, heute Schmiede Pagel. Links die Gaststätte Op den Hövel Buchmann mit Saal (später Waldemar Buchmann-Dahlhaus), in der Mitte des Bildes das Haus von Schuhmacher Dusbach genannt Hoffmann vor Hecheltjen jetzt Hopermann.
Im Bild 14 von 1890 wurde vom Bransberg aus fotografiert mit Blick auf Dorf und Kirche mit der alten Turmhaube (Bischofsmütze) sowie der Dorfstraße vorne im Bild. Man sieht links an der Straße das Dach von Aldenpaß und auf der rechten Seite das Haus der Familie Hardacker mit dem Süßwarengeschäft und der Heißmangel.
Bevor man den Kernbereich des Dorfes verlässt, kommt man an der Molkerei am Stemmingholt vorbei. Wie auf dem Bild 15 von 1892 zu sehen ist, entstand dieses Foto morgens bei der Milchanlieferung durch die Brüner Bauern.
Von 1967 bis 1970 erfuhr die Dorfstraße wieder Veränderungen. Sämtliche Versorgungsleitungen wie Strom und Telefon wurden verkabelt, die Trinkwasser- und Kanalisationsleitungen verlegt und die gesamte Straße erneuert. Die Bürgersteige wurden neu plattiert und eine erneuerte Straßenbeleuchtung eingerichtet.
Der Brüner Dorfreim
Von Günter Heiligenpahl erläutert.
In Brünen wird alle vier Jahre der „Dorfer Ball“ gefeiert und das auch schon ab dem Jahr 1885. Der Überlieferung nach ist damals während der Feste ein Reim entstanden, der in den folgenden Jahren noch mehrmals umgeschrieben und ergänzt wurde. Alwin Cappell weiß zu berichten, dass Aron Wertheim an der Urfassung des Dorfreims beteiligt war.
Der Reihe nach werden in diesem Reim die Häuser im Dorf, entlang der heutigen B 70, aufgeführt und die Menschen, die darin wohnten, durch den Kakao gezogen.
PDF—> Brüner Dorfstraße <—PDF
PDF—> Brüner Dorfreim <—PDF